Geschichte des Vereins und der Viezstraße

Was dabei herauskommt, wenn man Tourismusförderung, Marketing für heimische Produkte, Erhaltung der Kulturlandschaft und Naturschutz miteinander verknüpft ...

1997 wurde die VIEZSTRASSE gegründet. Initiatorin war die damalige Landtagsabgeordnete Irmtraud Engeldinger (SPD), zusammen mit vielen weiteren Beteiligten, hauptsächlich Inhaber von Obstbaubetrieben, Baumschulen bzw. Gärtnereien und Restaurants. Damals beschränkte sich der Verlauf der VIEZSTRASSE auf den Teil des Saargaus, welcher der „Merziger Äppelkeschd“ am nächsten liegt, nämlich von Fremersdorf (Gemeinde Rehlingen-Siersburg) über Merzig bis Sinz (Gemeinde Perl). 2001 schlossen sich auf Initiative des damaligen Saarburger Verbandsbürgermeisters Günther Schartz die Dörfer der Verbandsgemeinden Saarburg und Konz der VIEZSTRASSE an, gleichzeitig zeigten die Gemeinden Rehlingen-Siersburg und Wallerfangen großes Interesse. Nunmehr erfolgte die Ausschilderung von Wallerfangen über Rehlingen-Siersburg, Merzig, die Mettlacher, Perler  Saarburger und Konzer Saargaudörfer bis zum Roscheider Hof (Konz). 2016 erfolgte auf Initiative der Viezbruderschaft Trier die Verlängerung der VIEZSTRASSE bis ind die Stadtmitte von Trier.

IMG_4198 © Raphael Maas

Zu den Festereignissen:

Unmittelbar nach Gründung des Vereins kreierte man Festereignisse, die sich recht schnell ihren festen Platz in den regionalen Veranstaltungskalendern eroberten:

  • Jeweils am zweiten Oktoberwochenende locken die Obstanbauer, Brennereien und Viezerzeuger in den Obermoseldörfern (hauptsächlich Tettingen-Butzdorf und Borg) mit dem „Äppelfeschd“ in die Scheunen, Viezstuben und zu den offenen Verkaufsständen; Bei schönem Herbstwetter spazieren tausende Besucher von Obstbaubetrieb zu Obstbaubetrieb und kosten überall, was aus Küche, Keller, Brennkesseln und Keltereien geboten wird. Anlässlich des offiziellen Teils und der Begrüßung durch den Vereinsvorsitzenden, Vertreter aus der Politik und den / die Schirmherrn/in wird die Bühne durch viel „Adel“ geschmückt, darunter die Viezkönigin mit Prinzessinnen.
  • Jeweils am letzten Sonntag im April, zur Obstbaumblüte, findet die „Saisoneröffnung der VIEZSTRASSE“ statt. Gastgeber sind Baumschulen, Gärtnereien, Obstbaubetriebe und Restaurants.
  • Ab Ende August locken das Mirabellenfest in Fremersdorf, und einige Viezfeste (u. a. Trier, Fisch und Merzig-Büdingen), Viezverkostungen (u.a. in Mannebach) und offene Verkostungen und Prämierungen von Edelobst-destillaten. Ihr Erfolgsrezept: Sie unterscheiden sich von anderen Veranstaltungen, weil sie von den heimischen Betrieben gestaltet werden. Hier beweisen sich die regionalen Betriebe und knüpfen, meist auf eigenen Betriebsgeländen, nachhaltige Beziehungen mit Besuchern aus nah und fern.

 Persönliches / Organisatorisches:

Innerhalb einer Mitgliederversammlung in 2016 wurde Wolfgang Schmitt (Merzig-Menningen) zum Vorsitzenden gewählt. Im Nebenberuf stellt er selbst viele Produkte rund um den Apfel her und vermarktet diese auch erfolgreich. Der weitere Vorstand setzt sich zusammen aus Mitgliedern aus allen Landkreisen, welche von der VIEZSTRASSE berührt werden: stellvertretende Vorsitzende sind Petra Adam (Rehlingen-Siersburg-Gerlfangen) und Herbert Stors (Mannebach, VG Saarburg). Schriftführerin bzw. Pressereferentin ist Marie-E. Denzer. Die Vereinsgründerin Irmtraud Engeldinger (Merzig) ist als Kassiererin weiterhin in wichtiger Funktion dabei. Innerhalb des Vorstandes arbeiten Beisitzer in Arbeitsgruppen mit.

  • Anlässlich des 3. Trierer Viezfestes (27.08.2016, Domplatz Trier) wurde gemeinsam mit der Trierer „Viez-bruderschaft“ (Vorsitz H. Weiler), dem Trierer OB, dem Vorsitzenden des Vereins VIEZSTRASSE e.V. W. Schmitt und der Gründerin I. Engeldinger der Anschluss der Stadt Trier a. d. VIEZSTRASSE verkündet. Es war ein großes Fest auf dem Domplatz mit tausenden Besuchern.
  • Der Verein VIEZSTRASSE e.V. möchte, dass die VIEZSTRASSE „lebt“. Die Mitgliederversammlung beschloss deshalb, den Verlauf der VIEZSTRASSE ab 2017 so zu führen, dass sie von Merzig ausgeht (Anfangspunkt) über die Dörfer des Bietzer Berges, die Saarbrücke bei Beckingen und Rehlingen-Siersburg die bekannte Strecke über den Saar-Moselgau bis zum Endpunkt Trier führt.
  • Der Vereinsvorstand pflegt Zusammenarbeit mit „Saarschleifenland“ und den weiteren im Tourismus relevanten regionalen Organisationen, z. B. dem Naturpark Saar-Hunsrück und der Aktion „Ebbes von Hei“.

Hintergrundwissen / Sonstiges:

Wieso VIEZSTRASSE (auch „Route du Cidre“)? Der Viez ist ein „Alleinstellungsmerkmal“, und die Streuobstwiesen zwischen Saar und Mosel sind kennzeichnend für die Region. Den Begriff „Viez“ findet man nur im Dreiländereck Deutschland / Frankreich / Luxemburg, d. h. von Lothringen aus über das nordwestliche Saarland, den Landkreis Trier-Saarburg (hier vor allem im so genannten „Saargau“ zwischen Mosel und Saar) und den westlichen Teilen von Eifel und Hunsrück, insbesondere aber auch in Luxemburg. Dabei ähneln sich im Dreiländereck nicht nur die Kelter- und Streuobstwiesenkultur, diese Region verbindet auch ihre Sprache, das „Moselfränkisch.
Der Viez und die hiesige Streuobstwiesenkultur sind im wahrsten Sinne des Wortes „einmalig“. Es wird auch innerhalb anderer Regionen Europas Apfelwein hergestellt, aber: Während der traditionelle hiesige Viez „ehrlich“ (ohne jeden Zusatz), d. h. allein aus Äpfeln, ggf. unter Zusatz von Birnen, natürlich vergärt und deswegen eher trocken und säuerlich schmeckt, wird z. B. der Cidre (Frankreich) zumeist „gestoppt“. Man unterbricht den Gärvorgang zugunsten eines größeren Restzuckergehaltes und fügt u. U. noch Kohlensäure hinzu. Beim österreichischen „Most“ besteht die Grundlage überwiegend aus Mostbirnen, ein Umstand den man in unserer Region wegen seiner für ungewohnte Mägen „durchschlagenden“ Wirkung eher meidet. Auch der „Äppelwoi“ (Gegend um Frankfurt) wird nach ihm eigenen Verfahren gekeltert.

Aber auch in der Region der VIEZSTRASSE trägt man dem sich wandelnden Geschmack der Konsumenten Rechnung: Inzwischen stellen nicht wenige der hauptsächlich im Nebenerwerb tätigen Keltereien leckere neue Viezprodukte her (z. B. „Viezsecco“), die Auge und Gaumen eher an edle Weine und Sekte erinnern. Kelterverfahren nach dem Vorbild der Weinkeltereien lassen so manchen Viezkenner darüber staunen, welche Qualität sich aus dem Rohstoff Apfel gewinnen lässt.
Zurück zur VIEZSTRASSE: Wer diese entsprechend der Kennzeichnung entlang der Saargaustraßen aufmerksam entlangfährt wird feststellen, dass viele der Streuobstwiesen, die den Rohstoff für den Viez liefern, in ihrem Bestand gefährdet sind. Oft vermissen die alten Bäume den notwendigen Pflegeschnitt und sind voller Misteln, manchmal werden noch nicht einmal die Früchte der Obstbäume geerntet. Hinzu kommt: Modernen Ackermaschinen sind die Obstbäume im Wege. Eine Pflege des Wurzelraumes der Bäume ist damit nicht möglich. Die Folge: Verbuschung und später Rodung. Wo früher Apfel- und Birnbäume die Straßen und Wege säumten, lassen die Straßenbehörden Akazien, Ebereschen und Ahörner pflanzen. Und wo noch Interesse am eigenen Obst besteht werden zumeist die niedrig wachsenden Buschbaumsorten angelegt. Schleichend scheinen die landschaftsprägenden Streuobstwiesen dem Verfall preisgegeben.
Was treibt die im Verein VIEZSTRASSE e. V. ehrenamtlich aktiven Leute an, sich trotzdem zu engagieren und ihr Projekt in der Region zu platzieren? Das hat nicht nur mit nostalgischen Bestrebungen zur Erhaltung der tradierten Kulturlandschaft und dem Schutz der „Natur aus zweiter Hand“ für Vögel und Insekten zu tun. Nach ihrer Überzeugung kann die ganze Region vom Viez profitieren: Mit Aktivitäten rund um die regionale Marke VIEZSTRASSE wollen sie sich nicht nur in den Köpfen der der heimischen Bevölkerung, sondern auch potentieller Touristen verankern und so ein Stück zur Weiterentwicklung der Region beitragen. Ihnen zu Hilfe kommt dabei der Trend zu regionalen Produkten und zum Gesundheitstourismus.

Wie kann das Interesse an der Erhaltung der Streuobstwiesen und Erzeugung wertvoller, gesunder heimischer Produkte erhalten und gesteigert werden? Das funktioniert nur, wenn es Kunden für die Produkte gibt und die Erzeuger einen gerechten Preis für ihre Produkte erzielen. In der Konkurrenz zu den Discountern funktioniert das nicht, es gelingt allein dann, wenn Vertrauen zum gesunden, heimischen Produkt besteht. Die Erfolgsformel lautet daher: Über den Weg gerechter Preise für gute landwirtschaftliche Produkte lässt sich nachhaltig etwas für unsere tradierte, großen Teils noch intakte Kulturlandschaft und somit auch deren Attraktivität, nicht zuletzt aber auch etwas für unsere Gesundheit tun.

Innerhalb von Probierstuben der Erzeuger finden sich Obstsäfte, Viezprodukte, hochwertige Edelobstdestillate und Liköre in sehr schön anzuschauenden Flaschen, die sich auch als Mitbringsel eignen und den Wert des Inhalts unterstreichen. Teilweise steht auch Tafelobst über das ganze Jahr im Angebot. Auf besondere Nachfrage hin nehmen rustikale Stuben auch Busgruppen auf und bieten fachliche unterhaltsame Probierstunden. Der wachsende Trend zum Gesundheits- und Kulturtourismus, die Lage im Dreiländereck mit kurzen Wegen nach Frankreich und Luxemburg und der Trend zum Wandern und Radfahren kommen dem allen sehr entgegen.